Die karge Schönheit des Magadi-Sees

Im Süden Kenias, in der Grenzregion zu Tansania, liegt der Magadi-See. Er ist ein einsames Gewässer, in dem jedoch zahlreiche Vogelarten wie Flamingos, Reiher, Pelikane, Schreigänse und sowie Barsche und andere Kleinlebewesen genug Nahrungsquellen finden. Eine Fabrik baut schon seit genau 100 Jahren Soda (Tron / Natron), Kochsalz und andere Minerale in diesem See ab. Für den Tourismus war er bis um die Jahrhundertwende kaum interessant, doch gibt es inzwischen mehr und mehr Tagesreisende, die von Nairobi aus, einen Trip in die entlegene Region wagen.

Im Mai 1986 machte ich mich mit einem Matatu auf dem Weg zum Magadi-See. Über hügelige Savannen mit Schirmakazien, Dornengestrüpp, vorbei an neugierig schauenden Antilopen fuhr das Sammeltaxi über eine holprige Piste, bis meine Mitreisenden und ich nach etwa drei Stunden erschöpft und gerädert an einem Hügel hielten. Plötzlich waren die Augen so grell von der Sonne geblendet, dass sie nichts Anderes mehr wahrnehmen konnten. Der spiegelglatte See erstreckte sich fast in die Unendlichkeit und es dauerte Minuten, bis sich der Körper an die wallende Hitze der steinigen Vulkan-Landschaft gewöhnt hatte.

Doch zunächst sah ich entgegen der Erwartung weit und breit keinen Vogel. Am Horizont auf der gegenüberliegenden Seite des Sees schien Federvieh zu flattern, nur nicht da, wo wir uns befanden. Also tastete ich mich zu Fuß über Stock und Stein am Ufer entlang. Statt einer erhofften Vogelvielfalt breitete sich im Wasser ein ständig wechselndes Farbenschauspiel aus. Irgendwann blickte ich nur noch auf die Oberflächen des Gewässers unter mir. Dort, wo sich Fische um einen Felsen tummelten, wrackten Überreste angeschwemmten Holzes dahin und schimmerten in der Farbenpalette von Blutrot, blass-leuchtenden Gelbrosa-Tönen bis zum tiefen Schwarzviolett. Jeder Blick war eine Überraschung, jede Ansicht ein Erlebnis. Die Äderungen im Wasser glichen den Maserungen alten Gesteins, die ich zuvor in manchen Skulpturen von John Diang'a beobachtet hatte.

Indes verging die Zeit. Über dem See brauten sich dunkle Wolken zusammen, die Sonne drang kaum noch durch. Arbeiterinnen und Arbeiter der Soda-Fabrik kehrten nach Hause in ihre Hütten zurück. In der Ferne rauchten die Schornsteine. Ich sah nur noch die Schatten der Fabrik und des Güterzugs, der stampfend wartete. Ein Tag ging zu Ende, der bis heute in der Erinnerung nachklingt.